Wir neigen dazu, mit großer Ungeduld auf den Frühling zu warten. Doch heute begegnete mir auf einem Spaziergang eine leuchtende Wolke aus Federsternen. Samen, weich geborgen und in aller Ruhe wartend, bis die richtige Zeit gekommen ist. Bis ein warmer Wind
sie an ihrem silbrigen Plüsch fortsegeln läßt an einen Ort, an dem sie gedeihen können. Und ich dachte mir: Genauso müssten wir es auch machen. Die Schönheit auskosten, die gerade das Wahre ist. Die Zeit der Ruhe genießen als das Geschenk, das sie ist und sein soll. Darauf vertrauen, dass die Leichtigkeit und der Aufbruch genau dann kommen, wenn es an der Zeit ist. Bis dahin ist es mehr als genug, den Glanz zu schauen.

Etwas am Blumenpflücken macht den Tag leicht, vor allem wenn es mitten im Winter ist. Es ist ein bißchen wie Barfußgehen im Kopf, wie bei Morgentau im taunassen Gras herumhüpfen oder im Regen lachen – es ist eines von den ganz einfachen Dingen, die unkompliziert glücklich machen. Und noch mehr, wenn sie auch noch zu einem unerwarteten Zeitpunkt kommen.
Und dann merkst, du, dass selbst hier jemand ein bißchen Garten untergebracht hat. Dass Stadtplaner, Architekten, Fliesenleger bei aller Arbeit und Sachlichkeit doch daran gedacht haben, was den Mensch ausmacht. Was er in der Tiefe braucht, um zu atmen und zu träumen. Sie haben selbst hier im ansonsten gnadenlosen Bauch der Stadt ein bißchen Garten geschaffen, manchmal sogar einen ganzen Wald. Jedenfalls die Erzählung davon, die Erinnerung, die Hoffnung. Manchmal genügt das, um die Seele durch den Tag zu bewegen, so wie es die Bahn mit dem Körper tut.






Als ich klein war, zeigten mir meine Schwestern dass die dicken weißen Schneebeeren einen Knall verursachen, wenn man auf eine heruntergefallene tritt. Wenn keiner guckt, mache ich es heute noch. Nicht nur, weil die Spatzen sich dann so erfreut auf die aus der Kugel befreiten Samen stürzen. Der Knall ist eine kleine Feier des Lebens, wie das Feuerwerk an Silvester, nur verträglicher und irgendwie sogar größer, weil er von Sonne und Wachsen und Reife erzählt und von dem beruhigenden Kreislauf der Jahreszeiten.

Die kurzen Tage genügten ihnen, um mir seitdem jeden Tag Blüten in den kahlen Garten zu streuen.