An-Blick

Es gibt unzählige Iris-Sorten, deren Namen ich mir nie merken kann. Auch von den Zwerg-Iris geistern diverse durch den Garten. Sie blühen häufig schon im Februar, und jedes Mal stehe ich verblüfft davor. Schneeglöckchen, Winterlinge und Krokusse passen iwp-1581783442841.jpgn diese Jahreszeit, aber die beinahe unverschämt extravagante, knallbunte Blüte der Iris eben noch nicht. Für einen Moment frage ich mich unwillkürlich: Gehört sich das denn? So vorzupreschen? Die Euphorie des Sommers dermaßen vorwegzunehmen, ehe ähnliche Blumen nach dem Winter überhaupt das erste Mal gegähnt haben? Und ich mit der Gartenarbeit auch nur ernsthaft begonnen habe?

Sie stammt eigentlich aus dem östlichen Mittelmeerraum, vielleicht liegt es daran. Aber sie akzeptiert unsere Winter einfach. Auch die richtigen, die mit Schnee. Sie nimmt widerspruchslos die Bedingungen an, die sie vorfindet und macht nicht nur das Beste daraus, sondern noch eine ganze Menge mehr. Punkte hier, Striche dort, Knallgelb auf alle Blau- und Violettschattierungen geknallt, das Röckchen elegant gehoben, perfekte Körperspannung. Völlig ohne Wecker, Kaffee und Aufschieberitis steht sie am frostigen Morgen aufrecht im Wind unter Wolken. Restlos bereit für den zerbrechlichen Tanz, der Leben heißt.

Ich sehe sie immer erst, wenn sich die Blüten geöffnet haben, so wenig Aufhebens macht sie um sich. Und wenn sie mich dann so unversehens ansieht, gänzlich ausgeschlafen, und mir diese Farben auffordernd zu Füßen legt, dann ist es wie der erste Augenaufschlag des Frühlings.

Wie soll man da nicht verlieben? Jedes Jahr neu. In diesen Blick. In den Neubeginn. In das Sein.