Innere Gärten

Ein neues Jahr, noch ist es graubraun wie eine reglose Schmetterlingspuppe. Aber in so einer Puppe geschehen wundersame Dinge. Ein Wesen bekommt Flügel, die es auf eine Zeit voller Farbe und zwischen Himmel und Erde vorbereiten. So ähnlich geht es uns auch. Man denkt sich zukünftige Gärten aus, blättert in Samenkatalogen und findet kleine Wunder in den Blüten auf dem Fensterbrett – drinnen eben. Aber in aller Bescheidenheit beginnt auch draußen einiges. Schneeglöckchen blühen still schon mal auf, und mancher findet das zu früh, obwohl es schon immer so war. Es gibt eben geschützte Ecken, überall, auch für uns. Das Träumen ist so eine. Das darf man genießen. Nicht nur produzieren und konsumieren. Auch einfach nur mal in den inneren Gärten spazieren gehen. Lustwandeln hieß das früher, was für ein schönes Wort. Da gibt es so viel zu entdecken und zu genießen, und alles darf dort immer blühen, jederzeit und zeitlos. Und es gibt keine Zäune, an denen sie enden.

Ja, und die Zaubernuss, die zeigt schon mal Flagge, auch draußen, ungeniert, unbeirrt und beglückend.

Die Farben der Ruhe

Hier war es still in diesem Herbst. Vielleicht, weil es in dieser Jahreszeit so überwältigend viele Farben und Wunder und Veränderungen gibt. Weil ich mit Entdecken und Staunen und Schauen so beschäftigt bin, dass kaum Zeit für anderes bleibt. Oder weil in meinem Leben viel geschehen ist. Vielleicht auch, weil die Bilder, die in ihrem herbstlichen Farbenfeuer so groß sind, Worte überflüssig machen. Bilder sind den Worten oft überlegen mit ihrer inhaltlichen Fülle. Und manchmal bin ich der Worte müde und mag mich einfach fallenlassen in das Schweigen und die tiefe Ruhe.

Die Natur macht uns das jetzt vor. Die Zeit der Ruhe ist ein Geschenk. Erholen, Ruhen, Kraft sammeln, neue Wurzeln treiben, langsam und tastend, mit Vorfreude aber ohne Ungeduld. Die nun gedämpfteren Farben betrachten, denn sie sind ebenso schön, nur zarter. Den Aromen nachschmecken, den Gerüchen nach Erde und Frost. Atmen. Schlafen. In neuen Gedanken stöbern wie in alten Briefen. Die Adessen von Freunden wiederfinden und ihnen eine Weihnachtskarte schicken, eine zum Anfassen. Plätzchen backen und Kerzen anzünden und daran denken, dass es kaum noch dauert, bis die Tage bereits wieder länger werden. Mit sich selbst nachsichtig sein. Es ist eine kostbare, so kurze Zeit, diese neblige, stille, langsame, kühle, pastellfarbene, die uns erlaubt, einfach mal stehenzubleiben, nach innen zu sehen und den letzten fliegenden Blättern hinterher, und auch schon die ersten Triebe der Krokusse und Schneeglöckhen zu finden, die bereits nachsehen, ob der Himmel noch da ist. Ist er. Für uns alle, auch in diesen Tagen, auch in diesen Zeiten. Ich wünsche eine besinnliche, behutsame, beglückende Vorweihnachtszeit.