

Ein neues Jahr, noch ist es graubraun wie eine reglose Schmetterlingspuppe. Aber in so einer Puppe geschehen wundersame Dinge. Ein Wesen bekommt Flügel, die es auf eine Zeit voller Farbe und zwischen Himmel und Erde vorbereiten. So ähnlich geht es uns auch. Man denkt sich zukünftige Gärten aus, blättert in Samenkatalogen und findet kleine Wunder in den Blüten auf dem Fensterbrett – drinnen eben. Aber in aller Bescheidenheit beginnt auch draußen einiges. Schneeglöckchen blühen still schon mal auf, und mancher findet das zu früh, obwohl es schon immer so war. Es gibt eben geschützte Ecken, überall, auch für uns. Das Träumen ist so eine. Das darf man genießen. Nicht nur produzieren und konsumieren. Auch einfach nur mal in den inneren Gärten spazieren gehen. Lustwandeln hieß das früher, was für ein schönes Wort. Da gibt es so viel zu entdecken und zu genießen, und alles darf dort immer blühen, jederzeit und zeitlos. Und es gibt keine Zäune, an denen sie enden.
Ja, und die Zaubernuss, die zeigt schon mal Flagge, auch draußen, ungeniert, unbeirrt und beglückend.


Den Gingko habe wir zur Hochzeit geschenkt bekommen. Er hat seither viel erlebt. In jedem Frühling erzählt er diese Geschichten neu. Wenn diese Blätter sich wie ein kleines grünes Feuerwerk entfalten, ist das für mich ein besonderes Sinnbild für Frühlingsglück. Er nimmt nicht viel Platz ein und ist genügsam, aber er zielt geradewges zum Himmel, jedes Jahr ein bißchen weiter. Und im Herbst leuchtet er golden wie die Erinnerungen.



Jeder einzelne Tag ist nun eine Wundertüte. Jeden Morgen, wenn ich den Garten betrete, entdecke ich Freunde, die alt und neu zugleich sind. Zarte elfengleiche Wesen wie die Forellenlilie und die Schachbrettblume, die sich aus der noch kühlen Erde erheben, die Blätter vom Vorjahr beiseite schieben und sich in ihrer eigenen Vollendung entfalten.
Das wie vom Himmel gefallene Blau der Vergissmeinnicht gehört zu den ersten Wundern, an die ich mich aus meiner Kindheit im Garten erinnern kann. Es zeigte mir, dass der Himmel erreichbar und manchmal ganz erdnahe ist. Obendrein hatte jede winzige Blüte einen freundlichen gelben, beinahe goldenen Kern. Sie waren so winzig, dass man sehr genau hinsehen musste, um ihn zu sehen. So lernte ich, nach dem Kleinen, Inneren zu suchen.





n diese Jahreszeit, aber die beinahe unverschämt extravagante, knallbunte Blüte der Iris eben noch nicht. Für einen Moment frage ich mich unwillkürlich: Gehört sich das denn? So vorzupreschen? Die Euphorie des Sommers dermaßen vorwegzunehmen, ehe ähnliche Blumen nach dem Winter überhaupt das erste Mal gegähnt haben? Und ich mit der Gartenarbeit auch nur ernsthaft begonnen habe?
Höhe verliert und dann wieder gewinnt, dann zaubert sie aus dem Hut, was gerade zur hellsten Jahresteit im Schatten lag. Auf einmal findet ein Lichtstrahl einen Weg unter ein Dach oder einen Baum und entdeckt eine Deko, die den ganzen Sommer unsichtbar an der Wand in einem Winkel hing. Und mit ihr einen lieben Gedanken oder eine Erinnerung, fast vergessen. Oder eine späte Blüte, vorher nie beachtet. Einen frühen Schmetterling, der gerade erwacht. Auf einmal glänzt etwas hell und unübersehbar an Stellen, die man immer wieder aus dem Blick verliert.