
Draußen ist es heiß, lähmend heiß, das Atmen fällt schwer. Man lässt den Kopf hängen wie die Blüten, deren Blätter im Minutentakt fallen. Und doch: da ist so ein Reichtum an Duft, Farben und schierer Lebensenergie- und Fülle. Überschwänglich, überbordend, alles erfüllend. Denn es ist Rosenzeit, Juni, der Rosenmonat, und wohl auch ein besonderes Rosenjahr, und es gibt keinen Winkel in Lucys Garten, wo nicht schwere Rispen voller Rosenblüten über allem hängen, an unermüdlichen Trieben die sich schlängeln, sich erheben, an und über Mauern klettern, dem Himmel zustreben, sich zueinander oder zur kühleren Erde neigen.
Alle Farben, dunkelrot über orange, gelb, rosa und weiß, alle Formen, einfach bis gefüllt. Einmalblühend, öfterblühend, Wildtrieb und Züchtung, Busch-, Rambler oder Kletterrose. Klangvolle Namen wie Bathsheba, Gloria Dei, Golden Showers oder Jude the Obscure, und viele Namen, die ich vergessen habe oder nie gekannt. Es spielt alles keine Rolle: die Rosen feiern das Leben in einem gemeinsamen Fest, in einem ungenierten, mitreißenden Rausch. Sie leuchten sogar nachts, wenn der Rosenmond silbern in den langen Sommerabend steigt.
Sie ist kurz, diese Zeit, kürzer noch als sonst, da die Hitze brennt und gar nicht soviel gegossen werden kann wie es nötig wäre. Rosen sind Tiefwurzler und vertragen viel, doch die Blüten haben es schwer. Doch all das kümmert sie nicht. Es geht nicht darum, ob sie morgen noch blühen oder auch gestern schon. Sie feiern das Heute, den Tag, den Augenblick, und der ist dermaßen erfüllt, dass es genügt. An dieser Energie, an dieser freudigen, genügsamen Gegenwärtigkeit können wir uns anstecken, es genauso machen, wenigstens manchmal, und dann wird ein Geschenk daraus, ein leichtes, strahlendes, duftendes, in dem alles enthalten ist, was wirklich zählt.
Ich durfte mehrere solche Geschenke genießen, in diesem besonderen Sommer, mehr als je zuvor. Die Rosen fassen in Gestalt, wofür ich keine Worte habe. Und zeigen, wie wenig man manchmal ahnt, was für Knospen sich morgen noch öffnen werden.

















Wenn ich jetzt in den Garten gehe, komme ich nur Schritt für Schritt vorwärts. Überall muss ich ein Blättchen zupfen, es zwischen den Fingern zerreiben, daran schnuppern. Jeder Duft weckt andere Erinnerungen, andere Bilder. Lavendel: Die Kleider, die Oma nähte, die Seife in einer Pension in Österreich in einem lang vergangenen Sommer, weite blaue Felder im Süden, die ich nie gesehen habe. Rosmarin: Wildbraten an der See, ein heißes Bad in einem Schneewinter. Thymian: Ferien, irgendwo an einem Berghang liegend zwischen Wildkräutern. Ananassalbei, der wirklich nach Ananas riecht, nach Obstsalat und dem durchgeweichten Kuchen mit der Gelatine darauf den es früher gab, wenn unerwartet Besuch kam. Currykraut, so herrlich silbrig und würzig. Maggikraut, Oregano und Estragon: Vaters Steaks vom Grill und die Quarksauce zu den Folienkartoffeln. Basilikum, das lernte ich erst später kennen, bei Freunden an der Uni. Weihrauch: so ganz anders, aber gut gegen Mücken. Zitronenmelisse: Sommertee. Schnittlauch, von dem man mir beibrachte man könne ihn nicht mehr essen wenn er blüht, und dessen Blüten so lecker sind, wie ich heute weiß. Petersilie – früher gehasst, aber: iß Vitamine, Kind! und unverzichtbar wenn man ein kaltes Buffet dekorieren möchte.



