










Der Sommer war so angefüllt mit Leben, Lachen, Lernen, Laufen, und natürlich Schreiben, dass hier wenig Worte gelandet sind. Ich schreibe zwei Geschichten auf einmal. Das braucht Zeit, Gespräche und Vorbereitungen. Dazu kommt das Wundern über die Menschheit, die Fassungslosigkeit über manches und die gleichzeitige Hoffnung wegen anderem. Die Zeit scheint bei alledem immer schneller zu verfliegen. Doch der Garten wandelt sich zum Glück derweil in seiner eigenen langsamen Geschwindigkeit. Da wächst es, blüht, reift, wirft Samen auf fruchtbare Erde und in die Mägen der Vögel. Da spaziert ein Igel vorbei, die Schnecken lassen sich dennoch die Dahlien munden, in den Rosenäpfeln schlafen die Gallwespenkinder. Die Meisen melden schon mal den Anspruch auf die Nistkästen im nächsten Frühjahr an. Die Spinnen ziehen ihre Netze um die Gartenlaternen. Die Distelfinken essen sich satt an den Sonnenblumenkernen. Der Morgentau taucht alles in Silberfunkeln und die fallenden Blätter der Birken schütten Goldmünzen über unser Reich. Zumindest hier ist alles in Ordnung. Die Hummeln finden immer noch Süßes in der Bartblume und den Astern. Die Amsel kämpft noch mit der Mauser und verteidigt dennoch entschlossen jede Beere. Die Dürre war schwer, und doch ist der Rasen schon wieder grün, weil jede Krise auch Stärken hervorbringt. Ich nehme mir ein Beispiel daran, jedenfalls bemühe ich mich. Der unfaßbare, glühende Farbenrausch erfüllt mit Glück, Staunen, Demut, Lebenshunger, Dankbarkeit, Zuversicht.
Der Garten war diesen Sommer ein Ort der Liebe und des Trostes, der Ideen und Pläne und der Lebendigkeit im unglaublich vielfältigen Miteinander größerer und auch der winzigen Lebewesen. Da brauchte es gar nicht viele Worte.
Das meiste wird auch den Winter überstehen. Reichlich Samen und Zwiebeln sind in der Erde, die Insekten haben für die nächste Generation vorgesorgt, und wenn die dunklen Tage kommen, kann man sich gemeinsam an Geschichten wärmen, ob beim Schreiben oder Lesen oder dem Betrachten der zaubervollen Bilder, die da draußen durch das Licht und das Leben entstehen, unweigerlich und immer wieder.















So gern ich in Lucys Garten bin, an so vielen Tagen wie möglich öffne ich gleich morgens das Gartentor und laufe einfach los. Das ist meine Zeit, wenn der Tag neu ist, die Luft nach Tau und Aufbruch riecht und kaum jemand unterwegs ist. Der Weg von heute ist nur bei großer Trockenheit begehbar. Bisher bin ich immer daran gescheitert. Diesmal, bei zwanzig Grad im April an einem Sommermorgen, der sich in Frühlingsgrün verkleidet hatte, öffnete er sich Schritt für Schritt, zwischen Apfelblüten und Schilf.



Jeder einzelne Tag ist nun eine Wundertüte. Jeden Morgen, wenn ich den Garten betrete, entdecke ich Freunde, die alt und neu zugleich sind. Zarte elfengleiche Wesen wie die Forellenlilie und die Schachbrettblume, die sich aus der noch kühlen Erde erheben, die Blätter vom Vorjahr beiseite schieben und sich in ihrer eigenen Vollendung entfalten.
Das wie vom Himmel gefallene Blau der Vergissmeinnicht gehört zu den ersten Wundern, an die ich mich aus meiner Kindheit im Garten erinnern kann. Es zeigte mir, dass der Himmel erreichbar und manchmal ganz erdnahe ist. Obendrein hatte jede winzige Blüte einen freundlichen gelben, beinahe goldenen Kern. Sie waren so winzig, dass man sehr genau hinsehen musste, um ihn zu sehen. So lernte ich, nach dem Kleinen, Inneren zu suchen.



